Gründungen steigen wieder

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Nach Corona-Knick hat sich Zahl der Start-ups wieder erholt

Der Bestand an innovations- oder wachstumsorientierten jungen Unternehmen in Deutschland hat sich wieder erholt. Nach dem coronabedingten Knick im Jahr 2020 stieg die Zahl der Start-ups 2021 auf 61.000 an. Das lag zum einen an der wiederbelebten Gründungstätigkeit. Zum anderen ist anzunehmen, dass einige Gründerinnen und Gründer junger Unternehmen nach dem verdauten Corona-Schock ihre Wachstumsambitionen neu entdeckten und somit zurück in die Start-up-Definition fallen.

Für Start-ups mit sehr hohem Kapital- oder Wachstumsbedarf kann Venture Capital eine zum Cashflow- und Risikoprofil passende Finanzierungsform sein. Dabei zeigt sich: Gründerinnen und Gründer, die VC nutzen wollen, haben eher Merkmale, die den VC-Zugang erleichtern: Sie vereinen häufiger Innovations- und Wachstumsorientierung, haben häufiger einen akademischen Hintergrund, haben deutlich häufiger digitale Angebote, internetbasierte Geschäftsmodelle und internationale Zielmärkte.

Es zeigt sich allerdings auch, dass Start-up-Gründerinnen seltener eine VC-Finanzierung anstreben und jüngere Gründerinnen und Gründer sich überdurchschnittlich häufig über VC finanzieren wollen. Beides kann eine Reaktion auf Vorurteile sein, die im VC-Ökosystem offenbar verbreitet sind.

Start-up-Bestand durch anziehende Gründungstätigkeit wieder höher

Die Zahl innovations- oder wachstumsorientierter junger Unternehmen hatte sich in Deutschland durch den Ausbruch der Corona-Pandemie deutlich reduziert. Nach diesem Corona-Knick hat sich ihr Bestand nun aber wieder erholt. Die Zahl der Start-ups ist 2021 auf 61.000 gestiegen. Der Rückgang 2020 war vor allem durch einen starken Einbruch der Gründungstätigkeit zu erklären. Die bei Start-ups üblichen hohen Schließungsraten (die coronabedingt vermutlich sogar noch höher lagen als sonst) konnten aufgrund der ausbleibenden Markteintritte nicht kompensiert werden – die Zahl der Start-ups ging entsprechend merklich zurück. Mit der wieder anziehenden Gründungstätigkeit hat sich 2021 das Blatt wieder gewendet. Nicht nur, weil es insgesamt mehr Existenzgründungen gab und dieser Basiseffekt auch die Zahl der Start-up-Gründungen hebt, sondern auch weil sich die Struktur der Gründungstätigkeit veränderte: Es gründeten deutlich mehr Jüngere („U30“). Das wirkt sich ebenfalls positiv auf die Zahl der Start-ups aus, da bei jüngeren Gründerinnen und Gründern häufiger Start- up-Merkmale vorhanden sind.

In Start-ups steckt ein großes Erneuerungspotenzial. Damit sie dieses entfalten können, benötigen sie allerdings die passende Finanzierung. Denn je innovativer und wachstumsorientierter sie sind, desto weniger kommt die klassische Kreditfinanzierung für sie infrage: Kredite passen dann weder zum Cashflow-Profil noch zum Risikoprofil der Start-ups. Wagniskapital (Venture Capital, VC) passt dagegen sehr gut. Mit VC beteiligen sich Investoren an Start-ups. Dem hohen Risiko stehen damit hohe Renditechancen gegenüber, wenn sich im Erfolgsfall der Unternehmenswert erhöht. Viele der größten Aktiengesellschaften hätte es ohne eine aktive VC-Branche so nicht gegeben. In den vergangenen Jahren gab es jeweils etwas mehr als 1.000 Finanzierungsrunden. Da auf ein Start-up durchschnittlich mehrere Finanzierungsrunden entfallen, lässt diese Zahl bereits erkennen, dass wenige Start-ups überhaupt VC erhalten. Dies liegt auch daran, dass eine VC-Finanzierung nur von einem Teil der Start-ups angestrebt wird. Von den 61.000 Start-ups wollten 2021 nur 7.600 ihr zukünftiges Wachstum über VC finanzieren. Anders als die Gesamtzahl der Start-ups ist diese Zahl aber weit weniger volatil. So ist die Zahl der VC-affinen Start-ups 2020 trotz des Einbruchs relativ stabil geblieben und hat sich nun bei der Erholung auch nicht stark verändert. Hier stellt sich die Frage, wie sich VC-affine von anderen Start-ups unterscheiden.

VC-affine Start-ups kombinieren Innovations- und Wachstumsorientierung deutlich häufiger

Je innovativer und wachstumsorientierter Start-ups sind, desto risikoreicher werden sie, da die Unsicherheit über den Innovationserfolg und die zukünftigen Cashflows steigt. Entsprechend weniger kommen klassische Kredite als Finanzierung infrage und VC rückt stärker in den Fokus. Das zeigt sich auch beim Wunsch nach einer VC-Finanzierung. Bei Start-ups, die entweder nur innovations- oder nur wachstumsorientiert sind, sind im langfristigen Durchschnitt 13% der Gründerinnen und Gründer VC-affin, wollen also für ihr zukünftiges Wachstum auf VC zurückgreifen. Bei Start-ups, die sowohl innovations- als auch wachstumsorientiert sind, haben 30% der Gründerinnen und Gründer den Wunsch nach VC-Finanzierung.

Gründerinnen (noch) seltener VC-affin

Der Anteil von Gründerinnen bei Start-ups ist im Vergleich zur allgemeinen Gründungstätigkeit deutlich geringer. Im Start-up-Umfeld liegt der Anteil von Gründerinnen im langjährigen Durchschnitt bei 19%, also halb so hoch wie bei Existenzgründungen insgesamt mit 39%. Hier spielt die Definition von Start-ups eine Rolle. Weil Frauen häufiger freiberuflich, im Nebenerwerb, solo und ohne Beschäftigte gründen sowie seltener ein starkes Wachstum anstreben, technologische Forschung und Entwicklung durchführen oder eine überregionale Marktneuheit anbieten, weisen nur 3 von 100 Existenzgründungen von Frauen Start-up-Merkmale auf, bei Männern sind es 9 von 100. Die Merkmale, die in ihrer Schnittmenge Start-ups definieren, treten also allesamt bei Gründerinnen seltener auf.4 Geschlechterstereotype sind eine in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder anzutreffende Erklärung dafür.

Im Umfeld VC-affiner Start-ups ist der Anteil von Gründerinnen nochmals geringer (12%) als schon bei Start-ups insgesamt. Start-up-Gründerinnen wollen für ihr zukünftiges Wachstum also offenbar seltener auf VC zurückgreifen als Gründer, was auch andere Erhebungen zeigen. Die geringere VC-Affinität kann unterschiedliche Ursachen haben. Nachfrageseitig können bspw. Geschäftsmodelle, Unternehmensziele oder Finanzierungansichten häufiger vorliegen, zu denen VC weniger gut passt. Es kann aber auch eine Reaktion auf angebotsseitige Restriktionen sein. So haben es Gründerinnen schwerer, VC zu erhalten, wofür offenbar auch (unbewusste) Vorurteile bei VC-Gebern eine Rolle spielen.

VC-Affinität bei akademischem Hintergrund höher

Die Gründerinnen und Gründer VC-affiner Start-ups unterscheiden sich strukturell teilweise deutlich von jenen, die keine VC-Finanzierung anstreben. So haben sie mehr als doppelt so häufig einen akademischen Hintergrund, also studierten einmal oder studieren noch. Eine Erklärung hierfür ist, dass der Bildungshintergrund nicht nur beeinflusst, was man weiß, sondern auch, wen man kennt, Stichwort: Networking. Akademische Einrichtungen sind oft formell oder informell mit dem VC-Ökosystem vernetzt. Über die Institutionen oder über (Ex-) Kommilitonen und Kommilitoninnen Kontakte zu VC-Gebern aufzubauen, dürfte daher leichter fallen. Das sollte sich entsprechend positiv auf den Wunsch auswirken, VC zu erhalten. VC-affine Start-up-Gründerinnen und -Gründer sind auch häufiger jünger, das heißt unter 30 Jahre. Anders als vielleicht nahe liegt, hängt dies nicht mit dem stärkeren akademischen Hintergrund zusammen. Es handelt sich dabei also nicht im Wesentlichen um Studierende oder frisch Graduierte. Im Gegenteil. Die meisten Personen mit akademischem Abschluss sind 30 Jahre oder älter. Stattdessen dürfte die eigene finanzielle Ausstattung eine Rolle spielen, die mit dem Alter zunimmt und die Notwendigkeit des Einwerbens von VC (bspw. von Bu- siness Angels) verringert.8 Es kann aber auch eine Reaktion Älterer auf den Mythos sein, vor allem junge Gründerinnen und Gründer seien Erfolg versprechend, der offenbar auch unter VC-Gebern verbreitet ist. Empirisch zeigt sich allerdings eher Gegenteiliges.

VC-affine Start-up-Gründerinnen und Gründer haben darüber hinaus deutlich häufiger digitale Angebote, internetbasierte Geschäftsmodelle und internationale Zielmärkte. Diese Merkmale erhöhen typischerweise die Skalierbarkeit der Start-ups, also ihre Fähigkeit den Umsatz stärker als die Fixkosten steigern zu können. Die Höhe der Skalierbarkeit ist bekanntermaßen für die Investitionsentscheidung von VC-Gebern relevant. Es ist somit nachvollziehbar, dass Gründerinnen und Gründer, die stärker im Fokus von VC-Gebern stehen, auch geneigter sind, sich über VC zu finanzieren. Um auf dem Radar von VC-Gebern heller zu leuchten, ist eine gute physische Erreichbarkeit hilfreich. So investieren VC-Geber eher in Start-ups, die in der Nähe ihrer eigenen Niederlassungen ansässig sind. VC-affine Gründerinnen und Gründer sind daher auch häufiger in Städten zu finden. Netzwerkeffekte dürften hier aber ebenfalls eine Rolle spielen.

Abbau von Vorurteilen bei Investoren kann Wunsch nach VC bei Gründerinnen und Gründern erhöhen Die Zahl der Start-ups in Deutschland hat sich 2021 wieder etwas erholt. Das lag zum einen an der wiederbelebten Gründungstätigkeit. Zum anderen haben sicherlich auch einige Gründerinnen und Gründer junger Unternehmen nach dem verdauten Corona-Schock ihre Wachstumsambitionen neu entdeckt und zählen somit wieder als Start-up, nachdem sie 2020 aus der Definition herausgefallen waren. Für Start-ups mit sehr hohem Kapital- oder Wachstumsbedarf ist Venture Capital eine Finanzierungsform, die zu deren Cashflow- und Risikoprofil am ehesten passt. Dies antizipieren offenbar auch die Gründerinnen und Gründer, denn jene, die VC nutzen wollen, weisen auch häufiger Merkmale auf, die den Zugang zu VC erleichtern.

Es hat sich allerdings auch gezeigt, dass möglicherweise die Anpassung an das Investorenverhalten zu weit geht, dass nämlich Gründerinnen und ältere Gründungspersonen seltener VC nutzen wollen, weil sich die Investitionsrealität – auch aufgrund von bei Investoren vorherrschenden Vorurteilen – so darstellt. Bestehende Vorurteile bewusst zu machen, kann bereits zu einem ausgewogenerem Investitionsverhalten von Investoren beitragen.

(Quelle: Kfw.de)

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