Frauen gründen seltener

Friedensengel

Neue KfW-Studie zu Female Entrepreneurship: Frauen bei Existenzgründungen unterrepräsentiert

  • Mobilisierung von Gründerinnen ist gesellschaftliche Aufgabe und wirtschaftliche Chance
  • Viele Hürden für die Gründungstätigkeit von Frauen sind kulturell und gesellschaftlich bedingt
  • Nachhaltiges Gender Funding Gap im Wagniskapitalmarkt

Ein reges Gründungsgeschehen macht eine Volkswirtschaft „fit“ für die Zukunft, denn es stärkt ihre Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland aber ist die Gründungstätigkeit in den vergangenen 20 Jahren erlahmt. Um wieder eine höhere Dynamik zu erreichen, spielen Frauen eine wichtige Rolle – denn sie sind bei Gründungen strukturell unterrepräsentiert: Im langjährigen Durchschnitt nur 39% Gründerinnen bei Existenzgründungen insgesamt und sogar nur 19% bei innovativen, wachstumsorientierten Start-ups. KfW Research hat sich in einer neuen Studie detailliert mit den Herausforderungen für „Female Entrepreneurship“ in Deutschland befasst. Es zeigt sich, dass zentrale Hürden für die Gründungstätigkeit von Frauen kulturell und gesellschaftlich bedingt sind. Aber auch die Finanzierung spielt eine wichtige Rolle. Viele Gründungspläne von Frauen wie auch von Männern bleiben mangels Finanzierung unverwirklicht. Speziell der Zugang zu Wagniskapital (Venture Capital, VC) ist für Gründerinnen aber deutlich schwieriger als für Gründer. Frauengeführte innovative, wachstumsorientierte Start-ups erhalten im Durchschnitt seltener VC und wenn dann niedrigere Summen.

Mit 83% entfällt die überwiegende Mehrheit der VC-Deals in Deutschland auf rein männlich besetzte Gründungsteams, 11% auf gemischte Teams und nur 5% auf rein weibliche Gründerinnenteams. An dieser Verteilung hat sich in den letzten 5 Jahren nahezu nichts verändert. Dagegen hat sich der Geschlechterunterschied beim Dealvolumen sogar erhöht. Von jedem Euro VC-Investitionen in Deutschland im Jahr 2021 entfielen 91 Cent auf rein männliche Gründerteams, 7 Cent auf gemischte Teams und lediglich 2 Cent auf rein frauengeführte Start-ups.

„Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber im deutschen VC-Markt besteht ein ausgeprägtes Gender Funding Gap. Im nach wie vor männlich dominierten VC-Ökosystem erschweren unbewusste Vorurteile und gewachsene Netzwerke VC-Finanzierungen für Gründerinnen deutlich. Dadurch sind die Anreize, überhaupt ein Start-up zu gründen, für Frauen geringer“, fasst die Chefvolkwirtin der KfW, Dr. Fritzi Köhler-Geib, die Situation zusammen. Um die Geschlechtervielfalt in der VC-Branche zu erhöhen, komme Investmentfonds eine entscheidende Rolle zu, hier brauche es mehr Geschlechtervielfalt in den Investment-Teams, so dass dies dann auch in den

Portfolien folgt. Fonds könnten durch die Ausgestaltung des Investitionsprozesses Verzerrungen durch unbewusste Vorurteile bei Finanzierungsentscheidungen aktiv entgegenwirken. Außerdem böten Unterstützungs- und Vernetzungsprogramme wichtige Ansatzpunkte. „Der Lichtblick für Start-up-Gründerinnen ist jedoch, dass wir bei der Lösung des Problems einen Schritt weiter sind. Mit der im Juli 2022 veröffentlichten Start-up-Strategie der Bundesregierung wurden jüngst Maßnahmen angestoßen, um ihre Situation zu verbessern. Dazu zählt zum Beispiel ein neues Instrument des Zukunftsfonds, das neu am Markt aktive Managementteams von VC-Fonds unterstützt und so Investorinnen den Marktzugang erleichtern soll.“

Weitet man den Blick und betrachtet alle Existenzgründungen in Deutschland in den letzten 10 Jahren, so zeigt sich, dass Gründerinnen seltener Finanzmittel einsetzen als Gründer (61% vs. 68%). Wurde Kapital eingesetzt, dann von Gründerinnen im Schnitt mit gut 13.000 EUR nur halb so viel als von Gründern mit gut 26.000 EUR. Das hat strukturelle Gründe. Frauen gründen häufiger im Nebenerwerb, seltener im Gründungsteam oder mit Mitarbeitern, häufiger im Dienstleistungsbereich und seltener mit Wachstumswunsch. Diese Merkmale sind alle mit weniger Finanzmitteleinsatz verbunden. Sprich: Nicht das Geschlecht ist der bestimmende Faktor, sondern die gewählte Art der Gründung. Gleiches gilt auch für den Zugang zu Fremdkapital: Bereinigt man die Daten um die verzerrenden Merkmale, so zeigt sich kein Unterschied beim Kreditzugang von Gründerinnen und Gründern. Werden abgebrochene Gründungsplanungen mit betrachtet zeigt sich allerdings, dass das Thema Finanzierung für Frauen im Gründungsprozess durchaus eine höhere Hürde darstellt als für Männer. Zum Tragen kommen dabei vor allem fehlende Eigenmittel und eine geringere Neigung unter Gründerinnen, Kredite zu beantragen.

„Vor allem weiche Faktoren wie die kulturellen Rahmenbedingungen beeinflussen die Gründungstätigkeit von Männern und Frauen unterschiedlich. Die höheren Hürden für Frauen können nur in einem gesellschaftlichen Veränderungsprozess abgebaut werden, der sich in viele Bereichen wie zum Beispiel Erziehung, Bildung und häusliche Arbeitsteilung abspielen muss und daher einen langen Atem braucht“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoll, breiter anzusetzen als nur die Gründungstätigkeit von Frauen zu fördern. Da Frauen häufiger im Nebenerwerb, als Soloselbständige und seltener technologie- und wachstumsorientiert gründen, ist auch die wirtschaftliche Bedeutung frauengeführter Unternehmen in der Gesamtwirtschaft geringer. Auch was die Art der Gründungen betrifft müssen wir also für mehr Vielfalt sorgen. Vier Aktionsbereiche erscheinen dabei vorrangig: Erstens, den Gründungswunsch von Frauen zu erhöhen. Hier muss bereits in der Erziehung und Bildung ein Kulturwandel stattfinden. Zweitens, Gründerinnen ermutigen häufiger mit Wachstumsambitionen zu gründen. Drittens, die Technologie- und Innovationsorientierung von Gründerinnen zu erhöhen. Auch hier müssen wir bereits bei den Bildungsverläufen ansetzen und junge Frauen stärker für MINT-Fächer begeistern. Aber auch erfolgreiche Unternehmerinnen als Vorbilder müssen noch stärker sichtbar gemacht werden. Und schließlich muss viertens der VC-Zugang von Gründerinnen verbessert werden.“

Zum Datenhintergrund:

Die Studie liefert neue Erkenntnisse zur Gründungstätigkeit von Frauen in Deutschland auf Basis des KfW-Gründungsmonitors. Der KfW-Gründungsmonitor ist eine repräsentative, telefonische Bevölkerungsbefragung. Mit jährlich rund 50.000 befragten Personen ist der KfW-Gründungsmonitor die größte Bevölkerungsbefragung zum Gründungsgeschehen in Deutschland.

Neue Analysen zur Finanzierung von Gründungsteams mit Venture Capital wurden für die Studie auf Basis von Transaktionsdaten des Anbieters Dealroom.co durchgeführt. Hierbei konnten die Rolle von Frauen im gesamten VC-Ökosystem in Deutschland, sowohl auf Start-up Seite als auch auf Investorenseite, untersucht werden. Dealroom.co ist einer der führenden Anbieter von Transaktionsdaten im privaten Beteiligungsmarkt.

(Quelle: Kfw.de)

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